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15 Monate nach der Flutkatastrophe

Bürgerforum

Im Juli 2021 wurde die Eupener Unterstadt schwer von der Flutkatastrophe getroffen. Die Spuren der Verwüstung sind vielerorts noch immer deutlich erkennbar. Daher lud die König-Baudouin-Stiftung (KBS) und der Bürgerfonds Ostbelgien zu einem Bürgerforum „15 Monate nach der Flutkatastrophe“ ein.
Etwa 50 Eupener Bürgerinnen und Bürger, darunter auch einige Vertreter der Stadt Eupen, nahmen am Donnerstag, den 10. November 2022, an diesem 1. Forum in der Aula des Internats des Zentrum für Förderpädagogik an der Monschauer Strasse in Eupen teil. Herzlichen Dank an die Verantwortlichen des ZFP.

Einleitende Worte des Präsidenten des Verwaltungsausschusses des Bürgerfonds Ostbelgien

In seiner kurzen Ansprache ging Yves Noël auf die Solidarität und Hilfsbereitschaft der Bürger aus Ostbelgien, dem In- und Ausland ein. So konnte auch die Spendenaktion „Hochwasser“, die am Tag nach den Überschwemmungen im Juli letzten Jahres, gemeinsam mit dem Vinzenzverein Eupen und dem ÖSHZ Eupen gestartet wurde, innerhalb kürzester Zeit die bemerkenswerte Summe von fast 1,6 Mio € einsammeln. Auch unterließ er es nicht, die vielen Sachspenden, die spontane Unterstützung vieler Bürger.innen für ihre Mitbürger, die Spenden an das Rote Kreuz und an viele andere Vereinigungen sowie die Unterstützung der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens zu nennen. Auch war der Einsatz der Verantwortlichen der Stadt Eupen, der öffentlichen Hilfs- und Ordnungskräfte, die spontane Hilfsbereitschaft der Eupener Bevölkerung und die Hilfe von zahlreichen Helfern von außerhalb ganz außergewöhnlich und vorbildlich.

Zielsetzung des Bürgerforums

Der Bürgerfonds Ostbelgien hofft, dass sich im Anschluss an das Impulsreferat ein Austausch von Bürger.innen entwickelt und neue Visionen, kreative Projekte und Bürgerinitiativen durch die Vereinigung und Bündelung bestehender und neuer Kräfte entstehen.
Auch appellierte Yves Noël an die Anwesenden, nicht zu vergessen, dass die Verantwortlichen der Stadt Eupen alles Mögliche getan haben, um während der Flut das Schlimmste zu verhindern, um möglichst schnell überall Hilfe zu leisten, um die Infrastrukturen wieder herzustellen und die Planungen für eine noch bessere Stadt in Angriff zu nehmen. Dies sollten die Bürger bei dem Austausch würdigend bedenken, auch wenn nicht alles so verlaufen ist und so verläuft, wie jeder einzelne es sich immer wünscht.
Nach seinen Worten ist das Bürgerforum kein Dialog mit der Stadt oder sonstigen Obrigkeiten, sondern die Anwesenden sitzen zusammen als Bürger.innen der Stadt Eupen, mit dem Willen gemeinsam für eine bessere Zukunft zu denken und zu arbeiten, ganz nach dem geschichtsträchtigen Satz von John F Kennedy: „Und deshalb, meine amerikanischen Mitbürger: Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt“. Das Wort ‚Land‘ sollte in aller Bescheidenheit durch ‚Eupen‘ ersetzt werden.

Impulsgeber Frank Harsch

In seiner Eigenschaft als Bürgermeister der Gemeinde Braunsbach in Baden Württemberg hat Frank Harsch den Anwesenden seine Eindrücke und Lehren aus der Sturmflut vom 29. Mai 2016 geschildert. Braunsbach wurde Ende Mai 2016 (also vor 6 Jahren) durch eine dramatische Sturzflut überflutet und zerstört. Viele Bilder und Schilderungen erinnerten uns an die Ereignisse, die uns auch in Eupen nicht unbekannt sind.

  • 180 Liter Regen pro m², 104 Millionen € Schäden, zum Glück keine Verluste von Menschenleben zu beklagen;
  • Keinerlei Vorwarnung, im Nachhinein Glück, da so alle Personen in ihren Häusern waren und nicht ihre Fahrzeuge und andere Gerätschaften in Sicherheit zu bringen versucht haben;
  • Nächtliche Evakuierung von 101 Personen;
  • Zahllose ehrenamtliche Helfer, jeder Spendenaufruf wurde erfüllt;
  • Auszahlung der letzten Spenden des Hilfsfonds nach 5 Jahren.

Auch zog Frank Harsch folgende Lehren aus dieser Katastrophe:

  • In Zukunft keine Genehmigung von Baugesuche im Gefahrenbereich (oder nur unter Auflagen);
  • Infrastrukturmaßnahmen wie Verbesserung des Wasserrückhalts, Installation von Geröll- und Sandfängen, Absicherung von Berghängen, Schaffung von Retentionsflächen an Gefahrenpunkten;
  • Regelmäßige Überprüfung und Unterhalt dieser Installationen;
  • Installation eines integrierten Frühwarnsystems mit Regenschreiber und Pegelmesser in Verbindung mit dem Faktor Mensch (letzte Entscheidung beim Auslösen eines Alarms);
  • Aufbau eines Starkregenmanagements mit Computersimulation – Berechnung eventuell gefährdeter Gebiete;
  • Recht der Bürger.innen auf Information, sowie Eigenverantwortung bei der Risikoeinschätzung (Hilfe und Informationen seitens der Gemeinde).

In Braunsbach wurden die Bürger.innen persönlich in die Planung und Ausführung des Wiederaufbaus eingebunden, ein Gestaltungsausschuss in Zusammenarbeit mit Architekten wurde gebildet und jede beendete Aktion gebührend gefeiert.
Als Schlussworte sagte Frank Harsch: „Die Bürger sollen nicht nur fordern, sondern selbst aktiv werden und Lösungen aufzeigen, wir sind alle nur ein Teil der Gemeinde, wir müssen zusammenhalten und gemeinsam Neues schaffen.“

Brainstorming – Impulse der anwesenden Bürger.innen

Nach diesem Vortrag lud Moderator Oliver Krickel die Anwesenden ein, sich in kleinen Arbeitsgruppen aufzuteilen und Gedanken, Wünsche und Impulse zur den betroffenen Vierteln Unterstadt und Nispert zu Papier zu bringen. Diese Impulse wurden in 5 Themenbereiche aufgeteilt:

1. Aufwertung der Unterstadt

  • Wiedereröffnung der Eisdiele und der Terrassen;
  • Bankautomat;
  • Aufstellen von weiteren Sitzgelegenheiten;
  • Installation von Ladestationen und Reparaturposten für E-Bikes;
  • Erinnerung an die Flut (z.B. ein Monument oder ein bunter Mosaikstreifen, den jeder selbst auf seinem Haus anbringen kann, Plaketten, bis wo das Wasser gestanden hat);
  • Touristische Aufwertung mit Infotafeln – Besonderheiten (Häuser, Kabelwerk,…), Fotos „Früher <> Heute“, Rad- oder Wanderweg;
  • Kunst-, Kultur- und Wasserroute, inklusive der Instandsetzung der kleinen Schleusen der ehemaligen Unterstädter Betriebe;
  • Wiederinstandsetzung des Wetzlarbades (schnell, simpel und funktional).

2. Belebung der Unterstadt

  • Interesse an die Unterstädter Schulen wecken, z.B. Organisation eines Campusfestes;
  • Einzug des Jugendtreffs in den Pavillon (voraussichtlich ab Januar 2023);
  • Vorläufige oder ständige Nutzung leerstehender Häuser für Kunst- und Kulturprojekte und kleinen (Kunst-)Handwerksbetrieben (Pop-Up-Stores);
  • Aufbau eines Museum zur Flutkatastrophe;
  • Sportliche und touristische Nutzung der Hill und Weser;
  • Multifunktionale Nutzung gewisser Gebäude und Räumlichkeiten (Pfarrkirche, usw.);
  • Gezielte und vermehrte Organisation von Veranstaltungen in der Unterstadt (Frühschoppen, Monats-, Weihnachts- und Flohmärkte, Grillfeste, usw.).

3. Maßnahmen für einzelne Bürger.innen

  • Ermittlung des finanziellen Bedarfs (welche Kosten wurden nicht von den Versicherung übernommen, z.B. Energiekosten der Bautrockner, Abschleppkosten der Fahrzeuge, Entsorgungskosten des Sondermülls, usw.);
  • Anwerbung von Kümmerer, die den Hilfsbedarf prüfen und ggf. bei Anträgen auf Zuschüsse helfen.

4. Prävention

  • Optimierung der Frühwarnsysteme (genauere Informationen, erreichen wir auch ältere Menschen);
  • Kataloge der Vorbeugungsmaßnahmen, technische Unterstützung beim Schutz der Häuser;
  • Recht auf Information der Bürger.innen –Vertrag zwischen der Talsperrenverwaltung und den Bürger.innen im gesamten Wesertal (Erklärung der Funktionsweise der Talsperre, Schutz der Bürger.innen, Optimierung der Wasserrückhaltung – mit dem Ziel der Wiederherstellung des Vertrauens in die Talsperrenverwaltung);
  • Beschleunigung der sanften Renaturierung des Venns.

5. Impulse für Nispert

  • Verbreiterung des Nadelöhrs Stadtbach, eventuell Bau von Rückhaltebecken (kleine Weiher in den Wiesen);
  • (Wieder-)Gestaltung des Marienplatzes zu einem Dorfplatz (Bach sichtbar machen, Erweiterung, 90° Winkel);
  • Anlegung einer „Grünen Ader durch Eupen“ (Membach – Stadtpark – Gospert – Nisperter Wiesen – Katharinenweg);
  • Nutzung von Flächen für alternative Attraktionen anstelle Bauzonen.

The next step

Im Nachhinein wird sich der Bürgerfonds Ostbelgien mit einigen Unterstädter Organisationen zusammensetzen und diese Ideen aufnehmen, maximal 5 Projekte werden in der nächsten Etappe vorgestellt und können vom Bürgerfonds Ostbelgien unterstützt werden. Interessierte Bürger.innen werden gebeten, bei diesen Projekten mitzuarbeiten. Einige Unterstädter haben sich schon gemeldet.